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Verkannt, verurteilt... geliebt: Wie Listenhunde zu Unrecht aus dem Rahmen fallen

Aktualisiert: 22. Okt.

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Photocredit: Jasmin Wafi Photografie


Wie wir Vorurteile abbauen und ein menschen- & hundefreundliches Miteinander fördern.

Wenn man heute von „Listenhunden“ spricht, verbinden viele sofort damit Angst, Unsicherheit und oft Vorurteile. Dabei sind das keine „Monster“, sondern Lebewesen mit individuellen Persönlichkeiten – und oft Opfer von pauschalen Bewertungen.


In diesem Artikel möchten wir zeigen, was „Listenhunde“ rechtlich sind, wie stark die Stigmatisierung ist – und wie ein liebevolles, sicheres Zusammenleben möglich ist.


Was heißt „Listenhund“ überhaupt?

  • Der Begriff „Listenhund“ (auch „Kampfhund“, „gefährlicher Hund“) bezeichnet bestimmte Hunderassen oder Kreuzungen, die in vielen deutschen Bundesländern in "Kategoriehunden" geführt werden. Diese Hunde gelten per Gesetz als potenziell gefährlich und unterliegen besonderen Regeln.

  • Die Rassezugehörigkeit allein reicht, um auf solchen Listen zu landen – unabhängig davon, wie der Hund tatsächlich sozialisiert ist oder wie er sich verhält oder ob er auffällig geworden ist.

  • Die Regelungen unterscheiden sich stark je nach Bundesland: Es gibt Unterschiede bei der Definition, bei erlaubten Hunderassen, bei Auflagen (z. B. Leinen- und Maulkorbpflicht, Wesenstest, Sachkundenachweis, Führungszeugnis) und teilweise bei der Hundesteuer.


Rechtliche Lage – besonders für Hamburg

  • In Hamburg gelten bestimmte Rassen bzw. Mischungen als Kategorie 1 Listenhunde, die als „unwiderlegbar gefährlich“ eingestuft werden.

  • Am Beispiel „Alfi“ (American Staffordshire Terrier Mischling, deren Haltung gesetzlich verboten wurde) wird klar, welche Auswirkungen pauschale Bewertungen haben können. Aufgrund illegaler Haltung landete er im Tierheim und seine Vermittlung war aufgrund der aktuellen Gesetzeslage in Hamburg ausgeschlossen. Er verstarb 2021 nach 4,5 Jahren im Tierheim.


Warum Stigmatisierung schadet – Fakten & Erfahrungen


Schlechte Vermittlungschancen und lange Zeit im Tierheim.

Viele Listenhunde bleiben deutlich länger in Tierheimen als andere Hunde.

Teilweise sogar ihr ganzes Leben. Gründe sind sowohl rechtliche Hürden als auch Vorurteile in der Bevölkerung.


Vorurteile über Rasse und Charakter

Es wird oft angenommen, Hunde bestimmter Rassen seien automatisch gefährlich. Häufig hört man etwa: „Die sehen gefährlich aus“, „die kann man nicht anfassen“, „Kind und Hund passen nicht zusammen“. Wissenschaft und Praxis zeigen: Verhalten, Sozialisation, Haltung und Erziehung sind entscheidend. Nicht die Rasse allein.


Ungerechte gesetzliche Folgen

Manche Besitzer:innen berichten, dass Regeln de facto unmöglich sind oder kaum erfüllt werden können – z. B. hohe Anforderungen an Wesenstests oder Erlaubnisse, die teils absurd scheinen in ihrer Praxis. Dadurch wird die Haltung erschwert, teils verboten, und Verantwortung wird nicht angemessen differenziert belohnt


Was wir ändern können – Wege zu mehr Verständnis & fairen Bedingungen


Hier sind einige Vorschläge, wie Politik, Gesellschaft, Hundehaltung und Medien dazu beitragen können, Stigmatisierung abzubauen und ein besseres Zusammenleben zu ermöglichen:


Gesetzesreformen & differenzierte Regelungen

  • Abschaffung oder zumindest Anpassung der Rasselisten, hinzu individuellen Bewertungen (z.B. Verhaltensbasierte Tests, Wesenstests, Sachkundenachweis) statt „Rasse = Gefahr“.

  • Einheitlichere und realistische Auflagen, die erfüllbar sind und faire Übergangsfristen bieten.


Aufklärung & Öffentlichkeitsarbeit

  • Informationen statt Mythen: z.B. dass Rasse allein nicht entscheidet, sondern wie ein Hund aufwächst, wie er sozialisiert und geführt wird.

  • Positive Geschichten – Menschen, die verantwortungsvoll Listenhunde halten, die sich sozial korrekt verhalten und lieben.


Professionelle Unterstützung für Halter:innen

  • Zugang zu guten Hundeschulen, Verhaltensberater:innen, Trainer:innen, die erfahrungsbasiert und wissenschaftlich arbeiten.

  • Erleichterter Zugang zu Wesenstests mit fairen Kosten und transparentem Ablauf.


Förderung der Adoption aus Tierheimen

  • Förderprogramme oder Anreize für Menschen, die einem Tierheim-Listenhund ein Zuhause geben wollen.

  • Öffentliches Bewusstsein schaffen, damit diese Hunde nicht übersehen werden.


Medienverantwortung

  • Vermeidung von reißerischen Headlines, die Hunde von bestimmten Rassen ohne Kontext als gefährlich darstellen.

  • Einsatz von Fachwissen und Stimmen von Menschen mit Erfahrung, statt Vereinfachungen.


Ein persönlicher Blick – Leben mit einem Listenhund

Tina vom der Initative Leben mit Listenhund ( https://www.instagram.com/lebenmitlistenhund ) beschreibt die Realität vieler Halter*innen eindrücklich:


„Der Einzug eines Hundes sollte gut überlegt sein – es gibt viele Dinge, an die man denken muss. Doch soll es ein sogenannter Listenhund sein, kommen viele andere Fragen on top, die andere Hundebesitzer*innen gar nicht auf dem Schirm haben.


Darf mein Hund hier ohne Leine laufen?

Braucht er dort einen Maulkorb?

Wie ist die Einreise in dieses Land geregelt?


In Hamburg kommt sogar die Frage hinzu: Darf mein Hund hier überhaupt leben?


Und sie muss aktuell mit Nein beantwortet werden – denn die Haltung ist verboten. So steht vor dem Einzug oft erst einmal ein Umzug an, in ein Bundesland ohne Rasseliste, utopische Steuern oder überzogene Auflagen. Das aktuelle Hundegesetz verwehrt verantwortungsbewussten Menschen die Haltung dieser Hunde, unabhängig davon, ob Mensch oder Tier je auffällig waren. Vorurteile überwiegen, wissenschaftliche Erkenntnisse bleiben unbeachtet.


So bleibt Hamburg im Norden, gemeinsam mit Bremen, eine Insel der Diskriminierung – auf der hetzerischen Schlagzeilen mehr geglaubt wird als wissenschaftlichen Studien.“


Was deutsche Expert:innen sagen:


„Wir lehnen eine pauschale Einstufung von Hunderassen als gefährlich ab. Stattdessen gehört das Verhalten des einzelnen Hundes ins Zentrum jeglicher Bewertung.“


Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe Deutschlands e. V. (ZZF) in seiner Stellungnahme zur Änderung des Niedersächsischen Gesetzes über das Halten von Hunden (NHundG).


Der ZZF begrüßt ausdrücklich, dass im Entwurf Sachkundeprüfungen, Wesenstests und eine differenzierte Prüfung von Hunde mit potentiell gesteigerter Aggressivität vorgesehen sind. Website des ZZF


„Die Klarstellung des ehemaligen Bundesminister Cem Özdemir, wonach es beim neuen Tierschutzgesetz nicht um pauschale Verbote bestimmter Rassen gehe, begrüßt der VDH ausdrücklich.“


Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH). In seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf des neuen Tierschutzgesetzes fordert der VDH, dass Kriterien wie „Anomalien des Skelettsystems“ etc. möglichst präzise definiert werden, um Rechtsunsicherheit und eine automatische Diskriminierung bestimmter Rassen zu vermeiden. vdh.de


Fazit

Listenhunde sind kein Problem – Menschen können Probleme machen. Ein Hund wird nicht durch seine Rasse gefährlich, sondern durch mangelnde Sozialisierung, schlechte Haltung oder durch Missverständnisse.


Wenn wir bereit sind, genauer hinzuschauen statt vorschnell zu urteilen, wenn wir gesetzliche Rahmenbedingungen schaffen, die fair sind, und wenn wir alle lernen, mit Respekt vor dem Hund und voreinander umzugehen – dann wird auch das Leben mit einem Listenhund nicht als Ausnahme, sondern als möglich, positiv und bereichernd wahrgenommen.

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