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Teil 2: Unsichtbarer Lebensretter: Wie ein Mikrochip deinem Hund Sicherheit bei Hitze gibt.


Was aber können Besitzer:innen tun, die bereits einen kurznasigen oder anderweitig qualgezüchteten Hund haben und diesem ein möglichst gutes Leben ermöglichen wollen? Dr. Bartels gibt dazu einige praxisnahe Ratschläge:


  • Körperliche Überlastung vermeiden: Diese Hunde kennen oft keine eigenen Grenzen und würden für ihre Menschen alles tun – doch Überanstrengung kann tödlich enden.


Halter:innen sollten darauf achten, dass ihr Hund sich nicht überhitzt oder überanstrengt. Im Sommer nur in den kühlen Morgen- und Abendstunden Gassi gehen, stets Wasser dabeihaben und Pausen im Schatten einlegen. Toben bei Hitze ist tabu. Bei Temperaturen über ~20 °C sollte man brachyzephale Hunde nicht längere Zeit der direkten Sonne aussetzen. Zeigt der Hund hechelndes, angestrengtes Atmen, muss er sofort an einen kühlen Ort und trinken – im Notfall mit feuchten Tüchern kühlen und zügig zum Tierarzt, da schnell ein Hitzschlag droht.


  • Kühlhilfen nutzen: Für brachyzephale Rassen gibt es spezielle Kühlwesten oder -decken, die man dem Hund anziehen bzw. anbieten kann. Solche Westen (meist mit Verdunstungskühleffekt) können die Körpertemperatur bei warmem Wetter um einige Grad senken. „Ich habe sehr gute Erfahrungen mit Kühlwesten gemacht“, berichtet Bartels. „Einige meiner Patienten können damit sogar an wärmeren Tagen kurz raus, ohne gleich Kollaps zu drohen.“ Wichtig: Die Westen immer feucht halten und den Hund trotzdem beobachten – sie sind kein Freibrief für Mittagsspaziergänge in praller Sonne, aber eine wertvolle Hilfe. Preislich liegen sie meist zwischen 30 und 80 Euro, je nach Größe und Marke. Alternativ oder ergänzend kann man dem Hund zu Hause Kühlmatten anbieten und auf Klimatisierung achten.


  • Thermotransponder („Thermo-Chip“): Eine technische Neuheit in der Tiermedizin ist der Mikrochip mit Temperaturmess-Funktion. Dieser sogenannte Thermo-Chip wird wie ein normaler Identifikations-Chip unter die Haut implantiert, misst dort aber zugleich die Gewebetemperatur. Mit einem Lesegerät kann man so jederzeit die ungefähre Körperinnentemperatur des Hundes abfragen – ohne Fieberthermometer und Stress tierklinik-neustadt.detierklinik-neustadt.de. „Gerade bei Hunden, die leicht überhitzen, ist das genial,“ findet Bartels. „Man kann z.B. beim Spazieren zwischendurch die Temperatur scannen und weiß sofort, ob es kritisch wird.“ Die Thermochips kosten etwas mehr als Standard-Chips; inklusive Setzen muss man mit rund 30–40 € rechnen. Viele Tierärzt:innen bieten diese bereits an, insbesondere für kurznasige Hunde. Der Chip ersetzt zwar nicht das wachsame Auge, kann aber im Ernstfall früh warnen. (Hinweis: Die exakte Körperkerntemperatur misst er nicht – bei ernsten Anzeichen immer noch rektal nachmessen lassen oder direkt zum Tierarzt fahren! )


  • Regelmäßige tierärztliche Kontrollen: Hunde aus Qualzuchten sollten mindestens einmal jährlich, besser halbjährlich vom Tierarzt durchgecheckt werden, auch wenn sie (noch) gesund wirken. Viele Probleme schleichen sich langsam ein – z.B. verschlechtert sich die Atmung allmählich oder Augen beginnen unbemerkt zu ulcerieren. Ein/e Tierärzt:in kann frühzeitig erkennen, ob z.B. das Gaumensegel operativ gekürzt werden sollte oder ob sich Augenmedikamente oder Atemwegspräparate empfehlen. Frühintervention kann viel Leid verhindern. Zudem sollten Halter:innen das Gewicht ihres Hundes im Auge behalten: Übergewicht verschlimmert Atem- und Gelenkprobleme drastisch. Eine schlanke Linie ist für diese Hunde lebenswichtig!


  • Finanzielle Vorsorge (Versicherung): Leider sind tierärztliche Behandlungen bei Qualzucht-Hunden oft umfangreich und teuer. Atemwegs-OPs, Kaiserschnitte, Augenoperationen, MRT-Untersuchungen bei Verdacht auf Syringomyelie – die Liste

 

 

möglicher Eingriffe ist lang. Eine Haustier-Krankenversicherung oder zumindest OP-Versicherung kann deshalb sehr sinnvoll sein. „Ich rate jedem Bully- oder Mops-Besitzer zur Versicherung“, sagt Dr. Bartels. „Man hofft zwar immer, dass man sie nicht braucht. Aber wenn doch, können schnell mehrere tausend Euro zusammenkommen – da springt so eine Versicherung ein.“ Alternativ sollten Halter:innen frühzeitig Geld zur Seite legen, um im Ernstfall gewappnet zu sein. Im Krankheitsfall zählt jede Stunde – finanzielle Engpässe sollten dann keine Rolle spielen müssen.


Was gilt als Qualzucht – und was nicht?


In der öffentlichen Diskussion werden manchmal auch traditionelle Rassen mit Gesundheitsproblemen als Qualzuchten bezeichnet. Doch wo verläuft die Grenze? Grundsätzlich gilt: Wann immer ein angezüchtetes Merkmal beim Tier zwangsläufig zu Schmerz, Leid oder Schäden führt, liegt Qualzucht vor. Allerdings müssen Behörden dies im Einzelfall nachweisen – und bei einigen alten Rassen ist die Beweislage schwierig. Ein Beispiel ist der Dackel: Seine extrem lange Wirbelsäule auf kurzen Beinen führt häufig zu Bandscheibenleiden tierschutzbund.de. Dennoch wird der Dackel nicht offiziell als Qualzucht eingestuft, da sein Körperbau ursprünglich für die Jagd (Bauhund) selektiert wurde und nicht primär aus Schönheitslaune. Viele Dackel können mit entsprechender Vorsicht ein beschwerdearmes Leben führen – das Risiko ist erhöht, aber nicht jeder einzelne Hund ist betroffen. Ähnlich verhält es sich mit manchen Riesenrassen (die z.B. unter Gelenkdysplasien leiden) oder kurzbeinigen Modehunden wie manchen Terriern: Hier gibt es Übergangsbereiche. „Nicht jede Rasse mit irgendeinem Gesundheitsrisiko ist gleich eine Qualzucht“, stellt Dr. Bartels klar. Entscheidend sei, ob ein Merkmal bewusst übertrieben wurde, ob nahezu jedes Tier der Rasse darunter leidet, und ob das Leiden vermeidbar wäre, wenn man anders züchtet.

In jüngerer Zeit achten Zuchtverbände und Tierärzteschaft verstärkt auf solche Kriterien. So wurden etwa für Schäferhunde (Thema „schwach gewinkelte Hinterhand“), Shar-Pei (Hautfalten) oder Perserkatzen (Nasenlänge, Augengesundheit) Richtlinien verschärft, um allzu extreme Auswüchse einzudämmen bundestieraerztekammer.debundestieraerztekammer.de. Das zeigt: Nicht die Rasse an sich ist „böse“, sondern die Übertreibung eines Merkmals. Wird dieses gemäßigt, kann der Spagat zwischen Rassetyp und Gesundheit gelingen. Im Zweifel sollte jedoch immer die Gesundheit oberste Priorität haben. „Kein Hund der Welt sollte für ein bestimmtes Aussehen leiden müssen“, mahnt Bartels. Hier sind Zuchtverbände, Züchter und letztlich auch die Käufer in der Verantwortung, Maß zu halten.


Fazit: Verantwortung von Züchtern, Haltern und Gesellschaft

Qualzucht bei Hunden ist ein von Menschen geschaffenes Problem – und Menschen müssen es lösen. Jeder, der einen Hund „designt“ oder kauft, trägt Verantwortung. Tierärztliche Organisationen klären seit Jahren über Qualzucht auf, starten Aufrufe und Kampagnen bundestieraerztekammer.debundestieraerztekammer.de. So appelliert z.B. die Bundestierärztekammer an Unternehmen, keine Werbung mit Möpsen, Bulldoggen & Co. zu

machen, um die ungebrochene Nachfrage nicht weiter anzuheizen bundestieraerztekammer.de. „Wir Tierärzte sehen täglich die Folgen dieser Zuchtideale – wir müssen unsere Stimme erheben“, sagt Dr. Bartels. Sie und viele Kolleg:innen engagieren sich in Aufklärungskampagnen und fordern politische Maßnahmen. Doch ebenso wichtig ist das Umdenken in der Öffentlichkeit: Solange Promis in sozialen Medien mit schnaufenden Kurznasen posieren und Filme niedliche Mops-Charaktere zeigen, wird der Reiz bleiben, so einen Hund besitzen zu wollen. Hier hilft nur Bewusstseinswandel. Die Gesellschaft hat es letztlich in der Hand: Wenn extreme Rassen nicht mehr nachgefragt werden, verschwinden sie von selbst von der Bildfläche.


Jeder potenzielle Hundehalter sollte sich kritisch fragen, ob das gewünschte Rassemerkmal wirklich wichtiger ist als das Wohlergehen des Tieres. Immer mehr Menschen entscheiden sich bewusst gegen Qualzuchten – zugunsten gesünderer Rassen oder Mischlinge. Dieser Trend muss sich fortsetzen. Halter:innen, Züchter, Tierärzte, Tierschutzorganisationen und die Gesetzgebung müssen an einem Strang ziehen, um das Tierleid durch Qualzucht zu beenden.

Dr. Bartels formuliert es abschließend so: „Ein bisschen weniger Extrem würde schon viel helfen. Ein Mops mit Nase ist immer noch ein Mops – nur eben einer, der atmen kann!“ Es liegt in unserer Verantwortung, dafür zu sorgen, dass Hunde wieder nach ihrer Gesundheit und ihrem Wesen gezüchtet werden und nicht nach absurden Schönheitsidealen. Denn am Ende gilt: Tierliebe bedeutet auch, Leid durch Zucht zu verhindern, bevor es entsteht.

 

 
 
 

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